Die Abfahrt für die Lauterbacher und Vogelsberger erfolgte, wie geplant, vom Lauterbacher Busbahnhof, gegen halb fünf am frühen Samstagmorgen, noch bei völliger Dunkelheit zwar und mit noch teilweise müden Augen, aber schon bei guter Stimmung. Es ging dann weiter nach Alsfeld und zum Ragoß-Betriebshof nach Trutzhain, um weitere Reisegäste aufzunehmen; hier gab es gleich einen Fahrerwechsel auf unsere Chauffeurin Ingrid Kahle, die uns für die Dauer der ganzen Fahrt super gefahren hat, und unser Reiseleiter, Alexander Österreich, stieg ebenfalls zu. Von Trutzhain ging es dann bei bald einsetzendem, teilweise kräftigem Regen weiter Richtung A7 und nahe Braunschweig, der Regen hatte mittlerweile leichter Bewölkung und Sonnenschein Platz gemacht, auf die A2 Richtung Berlin. Hier, kurz hinter Braunschweig machten wir unsere erste Rast mit einem ausgiebigen Frühstücksbuffet, serviert von Fr. Kahle und Hrn. Österreich. Letzterer hatte uns schon während der Fahrt mit vielen interessanten Informationen längs der Fahrstrecke versorgt und uns auf entsprechende Sehenswürdigkeiten aufmerksam gemacht. Auf dem Weg nach Berlin passierten wir u. a. Magdeburg mit seinem weithin sichtbaren Dom. Schließlich waren wir mit dem Zustieg der beiden letzten Gäste am Berliner Hauptbahnhof komplett. Wir machten noch eine Stadtrundfahrt quer durch Berlin, vorbei an all den bekannten Sehenswürdigkeiten, bis uns anschließend der Weg weiter durch Brandenburg Richtung Polen führte. Erste Station in Polen war Stettin. Hier erhielten wir von unserer zugestiegenen Gästeführerin, Malgorzata Z., sehr viele Eindrücke und Einblicke in die Stadt und das Leben in Polen. Dem bekannten Sachverhalt, dass die große Mehrheit der polnischen Bevölkerung der römisch-katholischen Kirche angehört, fügte sie aber hinzu, dass in der heutigen Zeit in größeren Städten wie Stettin die Bezeichnung „streng katholisch“ nicht mehr ganz zutreffend sei. Sie meinte, dass die eine Hälfte eher leicht, die andere schwer katholisch sei, gefolgt von einem fröhlichen Lachen und Schmunzeln der Reisegäste
Nachdem uns Malgorzata verlassen hatte, ging es von Stettin aus weiter Richtung Ostsee. In Kolberg, unserem ersten Übernachtungsort, war es schon dunkel, als wir ankamen. Hier waren wirklich besondere Fahrkünste unserer Fahrerin Ingrid nötig, um die drei nicht immer leicht zu findenden Hotels durch die mit parkenden Autos eng gewordenen Straßen und Gassen anzufahren. Schließlich landete die England-Freunde-Gruppe in einem komfortablen Hotel, im New Skanpol. Hier wurden wir gegen 20:30 Uhr, zwar verspätet, aber mit einem Super-Abendessen-Buffet für all unsere Reisestrapazen entschädigt und ließen den langen Tag gemütlich ausklingen. Nach erholsamer Nacht und ausgiebigem Frühstück traten wir unsere Weiterreise über Gdingen und Köslin zur Deutschritter-Ordensburg nach Marienburg an, verbunden mit einer hoch interessanten Führung durch den riesigen Burgkomplex, den größten übrigens von Europa. Hier stellte sich heraus, wie klein mal wieder die Welt ist. Unsere Führerin (Sie sagte: „Nennen Sie mich ‚Izabella aus Marienburg‘.“) antwortete uns auf die Frage, warum sie so gut Deutsch spreche, dass sie u. a. immer wieder mal bei einer Tante in Deutschland gewesen sei, in einem kleinen Ort, den wir wohl sowieso nicht kennen würden, in der Nähe von Fulda. Lauterbach etwa? Nein, in dessen Nähe, aber kleiner! Angersbach? Ja, genau. Es stellte sich heraus, dass ihre Tante eine angeheiratete Verwandte eines früheren Brauereidirektors der Lauterbacher Burgbräu war. Wie gesagt, wie klein ist die Welt! Anschließend hatten wir auf dem Busparkplatz in der Nähe der Marienburg unser verspätetes Mittagessen in Form von Siedewürstchen, serviert vom Team Reiseleiter-Fahrerin, und Sekt vom Ehepaar Zinn.
Schließlich dann die Rückfahrt nach Danzig und der Check-In in unser Hotel, das Mercure, was nicht viel Zeit in Anspruch nehmen durfte, denn schon bald ging’s einige 100 m ins Zentrum zum gemeinsamen und gemütlichen Abendessen in ein Danziger Altstadtlokal, wo wir ein Lachsmenü serviert bekamen. Hier konnten in entspannter und gemütlicher Atmosphäre die Erlebnisse und persönliche Erinnerungen ausgetauscht werden. Zudem verabschiedete sich Alex. Österreich, unser bisheriger Reiseleiter, und versicherte uns, wir seien in sehr guten Händen bei den nachfolgenden polnischen Reiseleiterinnen.
Am nächsten Morgen (Mo., 16.10.), nach einem gemütlichen, nicht gar so früh angesetzten Frühstück, übernahm Bozena (sprich: Boschena) Nowak die Reiseleitung und begleitete die zunächst per Bus angesetzte Führung vom Hotel aus durch Danzig, mit vielen interessanten Schilderungen und Einzelheiten zu zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Ereignissen, insbesondere zum Leben und Wirken von Lech Walesa und Anna Walentynowicz von der Gewerkschaft Solidarność. U. a. fuhren wir an den Hafenkanal mit gegenüberliegender Westerplatte, wo der 2. Weltkrieg mit dem ersten deutschen Beschuss polnischen Staatsgebietes begonnen hatte. Wieder am Hotel angekommen, unternahm sie mit uns eine Führung zu Fuß durch die Altstadt von Danzig mit akzentuierten Hinweisen auf Kirchen, Museen und Altstadtgebäude sowie Einkehrmöglichkeiten für ein späteres, individuelles Mittagessen. Stellvertretend seien hier genannt: die Marienkirche mit ihrer dreiteiligen astronomischen Uhr, deren oberer Teil mit den aufziehenden und wieder verschwindenden Aposteln wir „in Aktion“ sehen konnten, sowie das große Zeughaus.
Auf einer Brücke über die Tote Weichsel in der Nähe der neuen und alten Speicherhäuser verabschiedete sich Bozena schließlich unter großem Lob und Beifall von uns allen. Sie hatte sich in einer ihrer zahlreichen Erläuterungen zur Zusammensetzung der polnischen Bevölkerung als Kaschubin geoutet, einem Volk mit eigener Sprache und Tradition. – Den Rest des Tages hatten wir zur freien Verfügung. Viele suchten eines der empfohlenen Restaurants für ein stärkendes Mittagessen auf und besuchten danach Kirchen, Museen oder Einkaufsmöglichkeiten, auf die Bozena hingewiesen hatte.
Am Dienstagmorgen (17.10.) war’s nichts mehr mit Ausschlafen bzw. den Tag langsam angehen lassen. Um 8:15 Uhr schon war das Verladen der Koffer angesagt. Bozena war noch mal gekommen, um uns eine gute restliche Reise zu wünschen. Auch unsere nächste Reisebegleiterin für den neuen Reiseabschnitt, Olga Obuchowska, war schon da. Und ziemlich pünktlich, gegen 8:30 Uhr, brachen wir dann von Danzig auf nach Ermland-Masuren. Die Fahrt ging über die Autobahn durch zunächst flaches Weide- und Ackerland, soweit das Auge reichte, vorbei an der Großstadt Elbing, zu der uns unsere Reiseleiterin Olga mit reichlich Informationen versorgte. Überhaupt wurde diese Info-Versorgung von Olga ein Dauerzustand während des restlichen Verlaufs der Fahrt, nie langweilig, immer etwas zum Zuhören und Mitnehmen dabei. Im weiteren Verlauf ging es an Osterode vorbei. Dabei lernten wir, dass diese Stadt von den Deutschrittern, die aus der Nähe des gleichnamigen Ortes im Harz stammten und zum Schutz der Bevölkerung gerufen worden waren, gegründet worden war und die ihr den gleichen Namen gegeben hatten. Mittlerweile hatte sich die Landschaft beträchtlich verändert. Sie war nun übergegangen in sanfte Hügel mit riesigen Feldern, immer wieder durchsetzt mit kleineren und größeren Wäldern und Seen, mal waren es Rinnenseen mit etlichen 10 m Tiefe, mal etwas flachere Moränenseen, beide Arten geformt und entstanden aus dem mächtigen skandinavischen Eispanzer und Gletscher der letzten Eiszeit. Nachdem wir Allenstein, eine Großstadt mit bedeutender Industrie, wie z. B. die zu Michelin gehörende Reifenfabrik, passiert hatten, verließen wir bald die Autobahn und fuhren auf schmaleren, aber prächtigen, mit großen Eichenbäumen gesäumten Alleen. Bald erreichten wir das kleine Dorf Heilige Linde mit seiner barocken, von Jesuiten erbauten Wallfahrtskirche, in der wir einem kleinen Orgel-konzert lauschen konnten, aber erst, nachdem wir in einem nahegelegenen Restaurant mit Maultaschen und anderen regionalen Spezialitäten für unser leibliches Wohl gesorgt hatten
Danach fuhren wir weiter zur Stadt Rastenburg, wobei wir während der Fahrt von unserer 1. Vorsitzenden, Gabi D., mit einem vorzüglichen Rosé-Wein verwöhnt wurden, den sie, Becher für Becher, durch den schwankend fahrenden Bus zu den jeweiligen Abnehmerinnen und Abnehmern balancierte und das, ohne etwas zu verschütten, bis der „Pälzer“, Gerhard H., der den Wein mitgebracht hatte, auf die Idee kam, die Flasche Wein und die Trinkbecher zu den jeweilig Kredenzten mitzunehmen. Clever, einfach clever. – Unser nächstes Ziel war das ehemalige Führerhauptquartier Wolfsschanze, wo wir von einem engagierten und gut vorbereiteten Beglei-ter, Jan Zduniak, der zur Geschichte der Wolfsschan-ze auch ein Begleitheft (auf Deutsch) verfasst hat, durch die Anlage geführt wurden. Eine bedrückende Erfahrung, die dunklen Ruinen der mächtigen Bunker, mit teilweise 6 – 9 m dicken Wänden und Decken, die gefühlt die Angst der Kriegstreiber vor dem eigenen Ende widerspie-gelten. Danach fuhr uns dann unsere versierte Busfahrerin zu unserem Hotel in Sensburg zurück, wo wir den Tag mit einem ordentlichen abendlichen Buffet ausklingen ließen.
Am nächsten Morgen (Mi., 18.10.) stand eine Fahrt durch die Johannisburger Heide auf dem Programm. Dieses Gebiet von Masuren besteht nicht etwa aus Calluna-Heidesträuchern wie die Lüneburger Heide, sondern ist ein ca. 1000 km2 großes Waldgebiet mit vorwiegend hohen Kiefern und Fichten. Auf der Fahrt lotste uns Olga durch das Dorf Galkowo, wo wir kurz einen Blick auf das alte Jagdschloss der Grafen von Lehndorff-Steinort werfen konnten. Heinrich von Lehndorff-Steinort war ein Widerstandskämpfer des Anschlags vom 20. Juli 1944 gewesen und im September ‘44 hingerichtet worden. Weitere Ziele auf der Fahrt durch die Johannisburger Heide war das langgestreckte Dorf Eckertsdorf mit einem Kloster der Philipponen (altgläubige Orthodoxe), die die Reformen, die der Moskauer Patriarch Nikon in der Mitte des 17. Jahrhunderts eingeführt hatte, abgelehnt und sich von der russischen Orthodoxie getrennt hatten, sowie der Besuch der restaurierten Kapelle mit zugehörigem Friedhof. Auf dem weiteren Weg fuhren wir durch Ukta und am Bauernhaus des Großvaters des bekannten deutschen Journalisten Klaus Bednarz vorbei, der hier längere Abschnitte seiner frühen Kindheit verbracht
hatte, und kamen schließlich nach Kruttinnen am Flüsschen Kruttinna. Die Kruttinna ist einer der beliebtesten Kajakwanderwege in Polen. Nach einem Mittagessen wurden wir zu Bootsstegen am Flüsschen geführt und auf vier Boote mit jeweils einem Stakenbootsführer verteilt, die die Boote mit einer langen Stange durch das glasklare Wasser schoben. Leider hatten wir nicht nur Wasser unter uns, sondern bekamen es auch in Form von leichtem Regen von oben ab, sodass die Bootsfahrt wohl etwas verkürzt ausfiel. All dies tat der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch, da wir mit Regenkleidung und Schirmen gut ausgerüstet waren und auf warmen, trockenen Kissen auf den Bootsbrettern saßen. – Der letzte Teil der Heidefahrt, das Wetter hatte sich mittlerweile wieder gebessert, führte uns nun noch in das Städtchen Nikolaiken (das „Masurische Venedig“) am Spirdingsee, dem größten masurischen See, wo wir mit Olga wieder einen höchst
informativen Stadtrundgang machten bis hin zur Uferpromenade, wo zahlreiche Segel- und Motoryachten vor Anker lagen. Man merkte, dass Olga hier zu Hause war, denn sie kannte Land und Leute. Schließlich war sie hier zur Schule gegangen. Danach ging’s auf die Rückfahrt durch die beeindruckende Landschaft der Johannisburger Heide zu unserem Hotel in Sensburg, wo uns ein stärkendes Abendessen erwartete.
Am nächsten Morgen dann brachen wir früh auf nach Thorn, der alten, ca. 200 Tsd. Einwohner zählenden Hansestadt im Kulmerland im breiten Flusstal der Weichsel. Nachdem wir in einem weiteren Mercure-Hotel eingecheckt und unsere Zimmer bezogen hatten, gingen wir mit Olga auf eine Stadttour. Hier sprudelte ihr Wissen nur so aus ihr heraus. Überall war der Name Nikolaus Kopernikus gegenwärtig. Ob als Namenspatron der Universität, an seinem Geburtshaus oder an seinem überdimensionalen Denkmal. Unsere Tour führte uns an einem Universitätsgebäude vorbei zur Marienkirche, einer dreischiffigen Hallenkirche, die wir auch betraten und einen Eindruck bekamen von der gewaltigen Länge, Breite und Höhe. Bemerkenswert waren der Hochaltar und die alten Wandmalereien. Weiter ging es durch schöne Altstadtgassen und -straßen, u. a. zum Geburtshaus von N. Kopernikus, durch den Innenhof des Museums im Altstädtischen Rathaus, um anschließend den Blick nach rechts zu wenden auf die Heilig-Geist-Kirche. Schließlich, nahe beim Kopernikus-Denkmal, endete unsere Tour und Olga gab uns noch Zeit für eigene Erkundungen und Einkäufe. Da der Wind ziemlich kalt durch die Straßen wehte, waren die meisten von uns froh, wenn sie eine schützende Kapuze über den Kopf ziehen konnten. Übrigens, eines der begehrtesten Objekte war eine Packung „Katarzynki“, die original Thorner Kathrinchen, kleine Lebkuchen mit abgerundeten Ecken. Außerdem kauften Olga und Gabi Verpflegung für den nächsten Tag: ein großes Paket Krakauer Würste. Bald waren wir wieder im Hotel, konnten uns aufwärmen und uns auf das Abendessen freuen.
„Katarzynki“, die original Thorner Kathrinchen, kleine Lebkuchen mit abgerundeten Ecken.
Am Freitagmorgen (20.10.) fuhren wir zeitig los zu unserem letzten Etappenziel, Kolberg an der Ostseeküste, zu unserem Hotel, in dem wir schon die 1. Nacht verbracht hatten. Wir wussten, dass ein Ostseesturm angesagt worden war und waren ein bisschen gespannt, was uns erwarten würde. Nun, unsere Fahrt verlief problemlos, und in der Nähe von Köslin, ca. 60 km vor Kolberg, hatten wir auf einem Rastplatz Gelegenheit, unsere mitgebrachten „Krakauer“, die von unserer Fahrerin schon während der vorangehenden Rast ins heiße Wasser gelegt und während der Fahrt verzehrbereit gemacht worden waren, mit Genuss zu verspeisen. Schließlich kamen wir in Kolberg an und tatsächlich, hier blies der Sturm so kräftig, dass viele von uns keinen Fuß mehr vor die Hoteltür setzten wollten. Einige machten sich aber trotz des Sturms auf den Weg zum Ostseestrand, um eigene Eindrücke zu bekommen.
Am Samstagmorgen schließlich traten wir die Heimreise an. Zunächst Richtung Berlin, um hier die zuletzt zugestiegenen Gäste wieder abzuliefern. Dies geschah am Bahnhof von Potsdam, wo wir eine ¾ Stunde Pause machten, um den einen oder anderen Happen zu essen oder in den Geschäften im Bahnhof noch letzte Besorgungen zu machen. Um 12:45 Uhr sollte es dann weitergehen. Leider aber kam ein Mitfahrer ganze 7 min zu spät, so dass sich die Abfahrt verzögerte. Dieser Zu-spät-Kommer ist der Reisebericht-Schreiber. Man unkte, das würde einen Eintrag ins Klassenbuch oder gar in die Personalakte geben. – Nach einigen vorgeschriebenen Ruhe- bzw. Lenkpausen brachte uns schließlich unsere umsichtige Chauffeurin, Ingrid Kahle, wohlbehalten nach Alsfeld, wo die Lauterbacher und Alsfelder den Bus verließen und die Lauterbacher in einen anderen Bus umstiegen, der diese nach Lauterbach brachte. Dieser andere Bus hatte eine Gruppe Fußballfans gefahren, wozu auch die zahlreichen leeren bzw. halbvollen Bierkästen, die im Bus hinter einer Reihe Sitze standen, passten. Uns war noch schnell anbefohlen worden, dass wir uns ja nicht an denselben „vergreifen“ möchten. Die Gruppe käme wieder in den Bus zurück und würde bemerken, wenn etwas fehlte. Aber nachdem wir in Lauterbach ausgestiegen waren, forderte mich ein gerade ausgestiegener, gewiefter Fahrtteilnehmer auf, mal an die Tasche seiner Jacke zu fassen. Ergebnis: etwas hartes Rundes. Und nun seine verschmitzte Frage:„Willst du eine?“