EIGENES BROT IM BACKHAUS BACKEN

Noch bis in die 1950er Jahre wurde im Vogelsbergkreis (und auch in vielen anderen ländlichen Gebieten in Deutschland) das Brot nicht beim Bäcker gekauft, sondern in gemeinschaftlich genutzten dörflichen BACKHÄUSERN selber gebacken. Jedes Dorf hatte ein oder mehrere Backhäuser (mein Heimatdorf Homberg/Maulbach mit ca. 500 Einwohnern hatte z.B. zwei, Lingelbach bei Alsfeld sogar vier). Sie bestehen eigentlich nur aus einem gemauerten Backofen, mit einem Dach obendrauf und einem kleinen Vorraum, von dem aus man das Brennmaterial oder die zu backenden Brote in den Ofen schieben kann.
Abwechselnd (die Reihenfolge wurde per Los bestimmt) konnten die Familien dann ihren 3- 4 Wochenvorrat an Brot backen – haltbare Sauerteigbrote aus überwiegend Roggenmehl, die allerdings nach 3 Wochen auch schon recht hart und alt schmeckten! Als es sich die Menschen bei steigendem Wohlstand leisten konnten, täglich frisches Brot beim Bäcker zu kaufen, wurde diese Tradition des Brotbackens aufgegeben, die Backhäuser drohten zu verfallen und wurden teilweise abgerissen und beseitigt

In den letzten Jahren hat aber hier ein Umdenken eingesetzt: die traditionelle und zeitaufwändige Art des Brotbackens mit dem Ansetzen und Reifen des Sauerteiges, dem langsamen und sorgfältigen Anheizen des Backofen mit Holz und dem Backvorgang bei natürlich abfallenden Temperaturen kann nicht mehr geleistet werden in den modernen Bäckereien mit ihren industriell hergestellten Brotteig-Fertigmischungen und elektrisch beheizten Öfen. Den einzigartigen Geschmack dieses Brotes kann man also nicht mehr in den Bäckereien kaufen – deshalb haben sich in einigen Dörfern Gruppen gegründet, die wieder ihr eigenes Brot backen. Auch die Gemeinden kümmern sich wieder um diese Traditionen. So wurden im Vogelsbergkreis viele Backhäuser renoviert und mit neu gemauerten Öfen ausgestattet

In MAULBACH backen Christa, Doris und Wilma seit 1989 ungefähr 3 – 4 mal im Jahr hier ihr eigenes Brot. Heutzutage kann man die Laibe ja einfrieren und muss kein wochenaltes hartes Brot mehr kauen. Am 8.10.2020 konnte ich als Gast dabei sein und lernen, wie man den Backofen im Backhaus beheizt, den Teig zubereitet und formt, die Brote in den Ofen „einschießt“, und schließlich herausholt und auskühlen lässt. In etwa 5 Stunden konzentrierter und teilweise anstrengender Arbeit bei „Backofentemperaturen“ haben wir 70 leckere, knusprige Brote gebacken, die dann untereinander verteilt wurden

Am Tag vor dem eigentlichen Backen wird der Vorteig angesetzt. Er enthält den SAUERTEIG (eigentlich getrockneter, zerkrümelter und wieder eingeweichter Teig vom vorherigen Backen) Wasser und etwas Mehl, und er mag es ziemlich warm (30° C). Am Backtag kommt dann das ganze Mehl (100% Roggen) dazu, nochmal Wasser, Salz und nach Belieben Zutaten wie Leinsamen, Sonnenblumenkerne, Gewürze etc. Dann wird der Teig mit der Maschine* geknetet und ruht dann für ca. 1,5 Stunden abgedeckt im großen Backtrog.

*eine gebrauchte Teigrührmaschine, vor 5 Jahren für 900 € angeschafft. Erleichtert die Arbeit sehr!

In der Zwischenzeit wird der Backofen befeuert. Normalerweise muss er einen Tag vorher einmal angeheizt werden – aber diesmal wurde am Tag vorher gebacken, da war das nicht mehr nötig. Der Ofen wird mit unbehandeltem Holz befüllt – hier von einem alten Pflaumenbaum, der beim Sturm umgefallen war – und dieses dann angezündet. Das Holz brennt dann in etwa 1.5 Stunden runter, danach werden die Asche und die unverbrannten Holzreste herausgeholt und der Ofen grob ausgewischt.




In der Zwischenzeit werden aus dem Brotteig runde und längliche Brotlaibe geformt , die ebenfalls noch etwas gehen müssen bei den warmen Temperaturen in der Backstube.









Als der Backofen angeheizt, ausgeräumt und gesäubert war,haben wir die Brote mit Hilfe von Basti, Levi und Wolfgang auf Schubkarren zum 200m entfernten Backhaus transportiert.
Mit einem sehr langen Brotschieber werden sie dann in den Backofen „eingeschossen“ – das musste sehr zügig und schnell geschehen, damit der Ofen nicht durch die offene Tür auskühlen kann. Aufregend war auch, ob wirklich alle 70 Brote hineinpassen würden (hat geklappt!)
Nach ca. 30 Minuten wurden die Brote einmal mit Wasser bestrichen und „umgeschossen“, d.h. man hat sie einmal im Ofen umgelagert, wobei man die dunkel gebackenen von den heißen Stellen im Ofen (hinten) zu den weniger heißen Stellen (vorne) und die hellen Brote nach hinten geschoben hat.

Nach einer Stunde konnten sie dann fertiggebacken herausgenommen und zum Abkühlen auf die Bretter gelegt werden.



70 Brote, fertig zum Abtransport vom BACKHAUS zurück zur Backstube. Die 2 – 3-Pfünder sehen sehr gut aus, braun und knusprig und gut aufgegangen.





Und sie schmecken sehr gut, ich habe eins noch am gleichen Abend aufgeschnitten und probiert.

Text und Fotos von Lothar Jansky (siehe auch Beitrag „Fotograf/-innen“)

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